Mittwoch, 27. Oktober 2010

Ein Schultag

7:30 Das Radio dudelt und teilt mir unmissverständlich mit, dass es nun höchste Zeit ist das warme Bett zu verlassen. Hätte ich ja eigentlich schon vor 20 min gemusst. Ich fühle mich zerknautscht, müde, unausstehlich...

7:35 Murrend stehe ich auf, bevor die Katze noch den Tierschutzbund holt, schließlich ist das Frühstück schon eine halbe Stunde überfällig und Ulrike dem Hungertod nah.

7:40 Katze ist versorgt, ich schmiere mir ein Brot, stelle dabei fest, dass ich das Handout unseres Chlamydien-Referates noch nicht ausgedruckt habe. Als ich es dann in Händen halte werde ich mir bewusst: Ich brauche es erst für morgen. Na super.

7:55 Persönliche Körperhygiene durchgeführt.

7:57 Typisches Frauenproblem. Was zur Hölle soll ich anziehen? Wenn die Heizung im Klassenraum wieder funktioniert wäre etwas dünneres angebracht, als die Wollpulover- und Schalvermummung der letzten Tage. Ich entscheide mich für die Zwiebeltaktik.

8:00 Ich verlasse mit Rucksack, Ordner und Wasserflasche die Wohnung. Hatte ich schon erwähnt, dass ich nur 400 m von der Klinik entfernt wohne? Dafür aber ohne die Backsteingebäude im Blick zu haben, stattdessen sehe ich romantisch auf die Gleise eines stillgelegten Güterbahnhofes  mit dem schönsten Sonnenuntergangspanorama der Stadt.
Schade nur, dass sich eine Grundschule in direkter Nähe befindet und ich an der Ampel 269 kleine Kinder kreuze. Dieselben schauen auf den Boden, streiten, plappern vor sich hin und tun alles mögliche: Außer mir auszuweichen.

8:03 Ich erreiche die Frauenklinik und treffe vor dem altersschwachen und vor allem langsamen Fahrstuhl aus den 60er Jahren(!), einige meiner Mitschülerinnen.

8:05 Der Fahrstuhl erreicht nun endlich den Keller und gibt den Blick auf unsere in ihm beförderte Schulleitung frei. Von hinten kommt währenddessen unsere Mastermitschülerin dazu (Diejenige, die unsere Klasse davon abhält im Chaos zu versinken, als einzige den Beamer und den dazugehörigen Laptop bedienen kann und auch sonst einfach immer den Plan hat) und verbreitet eine schlechte Nachricht: Gestern hat keiner von uns den Schlüssel unseres Klassenraumes beim Pförtner abgegeben.
Unsere Schulleitung muss zwar auf Station ein Examen abnehmen, leiht uns dennoch großzügig ihren Schlüssel.

8:09 Wir halten an jeder Etage und kommen endlich an. Schon vor 10 min hätte der Unterricht beginnen sollen. Wie gut, dass auch unsere Dozentin noch nicht eingetroffen ist.

8:12 Die Dozentin für das Stillen kommt. 7 von 15 Schülerinnen sind da- ein ziemlich guter Schnitt

8:15 Unser Blondchen trifft ein und findet aus Versehen den Schlüssel des Klassenraumes, als sie sich einen Kaffee machen will. Wer hat den bloß in in die Küche gelegt?

8:30 12 von 15 Schülerinnen sind da. Wir erhalten ziemlich guten Stillunterricht, saugen den Vortrag quasi auf. Ich bin wirklich froh an einem Stillfreundlichen Krankenhaus zu lernen und von IBCLBLBLBLCs (*hüstel* Stillberaterinnen) ausgebildet zu werden. Klingt das jetzt sarkastisch? Ich meine es tatsächlich so. Was ich da so an Still-Praxis auf den Wochenbettstationen der anderen Klinik erlebt habe, ist es nicht wert beschrieben zu werden. Gut, dass wir es gleich anders lernen.

9:00 Auch die letzten beiden unseres Kurses, berüchtigt für ihr Zuspätkommen, sind eingetroffen.

9:45 Thema Adoption, ziemlich interessant und durchaus auch ein Aufgabengebiet der Hebammen, denn Adoptiveltern können ebenso Hebammenhilfe in Anspruch nehmen. Leider ist der Vortrag ziemlich trocken und als ich meinen Blick durch den Raum schweifen lasse, sehe ich wie es den anderen dabei geht. 3 lernen Anatomie, 2 halten sich mühevoll vom Einschlafen ab, 4 spielen mit ihren I-Phones und der Rest beschäftigt sich mit Stadt-Land-Fluss. Lediglich die ganz fleißigen und ehrgeizigen bei uns bemühen sich um Aufmerksamkeit, indem sie im Takt des Sprech-Rhythmus der Dozentin mitnicken.

Falls sich nun der Eindruck einschleicht, wir wären unhöflich und faul, so kann ich diesen Vorwurf nicht komplett von der Hand weisen. In der letzten Schulwoche eines 4-wöchigen Blockes werden wir meistens träge und wissen doch, dass alles was wir lernen examensrelevant ist. Gut, dass wir uns in der Erwachsenenbildung befinden und uns regelmäßig in Lerngruppen treffen.
Ich spiele mit meiner Sitznachbarin Schiffe versenken, während ich mit einem Ohr dem Vortrag lausche.

11:15 Mittagspause- Unverschämt früh, aber wir haben uns daran gewöhnt, stellen wir uns mit knurrendem Magen als die Ersten in der Cafeteria an. Wie immer gibt das obligatorische Nasenrümpfen über das Angebot. Nachtisch und Salat sind jedoch super, dazu esse ich Nudeln und Spinat. Unschlagbar günstig für 1,45 Euro, auch dank der selbst zu bestimmenden Portionsgröße.

12:15 Weiter geht's, wir sind 13 von 15, warten auf die Dozentin einer großen Firma, die naturheilkundliche Medikamente verkauft- eigentlich sollte sie uns etwas über Anthroposophische Medizin in der Geburtshilfe erzählen, was ein ziemlich spannendes Thema verspricht. Wenn sie doch nur auftauchen würde.

12: 45 Die klassischen Zuspätkommer sind inzwischen erschienen, nur die Dozentin fehlt weiterhin. Die Hebammenschule ist ja aufgrund des Examens des Oberkurses nicht besetzt, sodass wir auf Station anrufen und um Gehör bitten.

13:00 Unsere Schulleitung kommt, weil die Prüfung momentan eh stockt, die Frau stillt noch ihr Baby.
Zerknirscht stellt sie fest, dass sie vergessen hat, den Termin zu bestätigen. Sympathisch chaotisch, so mögen wir es!

13:15 Der Versuch eine alternative Aufgabe zu beschaffen scheitert, also verlassen wir um 13:20 die Frauenklinik. Schon das 3. Mal die Woche 3 Zeitstunden zu früh.

Ihr seht, bei uns wird alles recht locker gehandhabt. Wir schreiben kaum Klausuren und wenn, dann auf eigenen Wunsch, um für das Examen zu lernen. Außerdem läuft es dann meist so, dass wir sie auch selbst korrigieren.
Uns wird sehr viel Freiraum gelassen, wir kriegen nie Hausaufgaben.  Außerdem wird auf unsere individuellen Persönlichkeiten und Schwierigkeiten sehr viel wert gelegt:  Mit jedem erdenklichen Problem können wir zu unserer Leitung kommen, die uns dann mit einem Kaffe und 'nem Zigarettchen empfängt, um gemeinsam die Probleme zu lösen- Egal ob privater Art, oder die Ausbildung betreffend.

Dafür aber ist es oft sehr unstrukturiert und chaotisch, wir müssen selber sehen, dass wir rechtzeitig lernen und sind für vieles selbst verantwortlich. Ich zum Beispiel lerne oft schlechter, wenn ich nicht den Druck einer Klausur habe- andererseits ist dann aber das, was ich wirklich lerne auch in meinem Kopf- statt auf ein bestimmtes Datum ausgerichtet.

Wie geht es euch? Ich würde mich freuen einige Erfahrungsberichte anderer Schulen lesen zu dürfen und freue mich über jeden Kommentar.

3 Kommentare:

  1. Ich hab nur den Hochschulunterricht kennengelernt. Der Kurs in dem ich bin, ist leider der erste, sprich es gibt 0 Erfahrungswerte. Chaotisch ist bei uns auch so einiges... Es kam auch schon vor, dass der Dozent vergisst eine Vorlesung abzusagen oder (vorallem im Winter) dass von den 2en am Tag keine einzige stattfindet, weil die Dozenten krank sind (und man es immer genau 5min vor Beginn erfährt (oder 30min nach Beginn, wenn man im Sekretariat nachfragt...). Wegen Lernzeit, ich hätte gern mehr Zeit zum lernen, 11 wochen Stoff ohne Ende, wo man meist vor 17-18uhr auch nicht nach Hause kommt und in der 12. woche soll man alles gelernt haben und alles wissen. Laut Dozent bracuht man es nur grob wissen, leider haben die meistens leicht andere Ansichten von "nicht so in die Tiefe bei dem Gebiet"...

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  2. aaalso, hier mein Schulalltag:

    7:00 der Wecker klingelt zum ersten Mal. Ich werfe alle meine Styling- und Frühstücksvorsätze über Bord und schlafe weiter bis
    7:45 jetzt springe ich mehr oder weniger schnell aus dem Bett, mache im Bad nur das Nötigste (Zähne, waschen, Haare) um in Hausschluppen eine Etage tiefer zu hetzen und
    gerade noch pünktlich um
    8:00 im Klassenraum zu sein. Es ist öfters mal jemand zu spät aber nur ein paar Minuten. Wie in der Schule früher ;) Bis
    9:30 haben wir die erste Stunde, heute bekamen wir unsere Stillklausur zurück (wie-fast- immer ist die schlechteste Note eine 3). Unsere Lehrerin ist glaube ich keine IBCLBCLblablub, aber unser Krankenhaus ist wirklich stillfreundlich (bzw. meistens drum bemüht) und unsere Lehrerin ist ein Stillprofi und sie vermittelt ihr Thema mit sehr viel Herzblut und einem großen Erfahrungsschatz.
    Leider gehts heute nicht ums Stillen, sondern um Gesetze. Unser sonst sehr lauter Kurs (15 alpha -Weibchen zwsichen 21 undv ähm...35?) wirkt sehr...still. Die ein oder andere schläft vllt. sogar mit offenen Augen, man weiß es nicht. Mir selbst fällt nach 9 Wochen Praxis das sitzen unglaublich schwer, ich schlage ständig ein Bein über das andere, um mich dann 30 Sekunden später an die drohenden Varizen zu erinnern und eine neue Position zu suchen.
    von 9:30 bis
    9:45 die erste Pause. Im Wohnheim und in der Küche der Hebammenschule wird fleißig Tee gekocht und Müsli geschnorpst. Jedenfalls am Otto-Normal Tag, diese Woche fasten gefühlte 50% des Kurses. Natürlich nur der Gesundheit und inneren Reinigung wegen ;) aber auch sonst sind immer mindestens 2 Schülerinnen auf Diät. Um
    9:45 geht es weitere 1 1/2 Stunden mit dem Hebammengesetz weiter. Wir essen und trinken dabei in entspannter Atmospähre.
    Dann um
    11:15 weiter 15 Minuten Pause. Einige gehen ins Krankenhaus um sich um ihre Bewertungsgespräche des letzten Einsatzes zu kümmern, einige lesen, quatsche oder essen.
    Übrigens nicht in der Mitarbeiterkantine, wir sind nämich unseres Lebens noch nicht müde und wollen außerdem nicht die restlichen Schulstunden mit Übelkeit kämpfen.
    11:30 unsere andere Lehrerin (wir haben 2) kommt und wir werden in die Dokumentation eingeführt. Wieder erstaunlich viele glasige Blicke. Schon klar, Geburtshilfe und Stillen macht allen mehr Spaß, aber was muss das muss, wie wichtig Dokumentation ist, braucht uns eigentlich niemand erzählen. Das ist schon einleuchtend.
    Wir bekommen es trotzdem nochmal verklickert. Ist ja auch richtig so :)

    13:00 eine halbe Stunde Pause. verläuft wie die ersten beiden Pausen, dauert nur halt länher, nämlich 30 Minuten bis
    13:30 letzte Stunde, da sind alle immer etwas unkonzentriert.
    15:00 ist dann Feierabend.

    Wir haben an unserer Schule eben diese Beiden Lehrerinnen (eine macht hauptsächlich Stillen, Neugeborenes und Wochenbett, die Andere Geburtshilfe und Schwangerenvorsorge)
    Außerdem haben wir noch einige Fremddozenten (nur heute nicht) z.B. eine Apothekerin, eine Pädiaterin, diverse Ärzte aus unserer Klinik, eine Anatomiedozentin usw.

    In unserer Schule herrscht eine sehr familiäre Stimmung, wenn der Block anfängt haben wir oft ein Kerzchen oder Schokolade auf dem Tisch, nach jedem Einsatz gibt es eine lange Reflexionsrunde, im Unterricht entstehen auch gerne mal freie Diskussionen und es gibt immer viel zu lachen.
    Trotzdem ist das Ganze professionel, wir schreiben am Ende jedes Schulblocks Klausuren, sind immer ziehmlich^^ pünktlich und es fällt ganz ganz selten mal Unterricht aus.
    Wir erarbeiten uns viele Dinge anhand von Arbeitsblättern selbst, mal alleine, mal in Gruppen. Im Sommer gerne auch in unserem schönen Park.

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  3. Ziemlich genau 1 Jahr nach Veröffentlichung kann ich sagen:
    Sehr schön geschrieben. Etwas neidisch bin ich auf das Sonnenuntergangspanorama des stillgelegten Güterbahnhofes ;-) Bei mir funktioniert alles nach Stechuhr und Termin. Das lockere Leben auf der Schule würde mir zwar gut gefallen, alllerdings auch nicht positiv für mein Output sein.
    Schreib mal wieder was! :-)

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