Samstag, 19. Juni 2010

Fliegen im Hand-OP

Nicht nur eine... Nein, gleich 4 Stück! 3 richtig große, fette Brummer und eine kleine Fruchfliege. Natürlich helle Panik beim operierenden Personal.
Alle halten inne, verfolgen die Fliegen mit den Augen und sehen mich erwartungsvoll und hektisch an. "Tu doch endlich was!" Aber guter Rat ist teuer, denn Insektenspray gehört nicht zum Inventar. Vor dem geistigen Auge sehen wir uns neue Siebe öffnen, sterile Kittel anziehen und den Zeitplan dahinschwinden. Schließlich wurde die Planung doch tatsächlich an den Fußballfreitag angepasst äh...war es doch so ein großes Glück, nach 13 Uhr niemanden mehr operieren zu müssen, wo doch das Spiel um 13:30 begann.

Aber dann die Lösung: Dr. Zucchini (mein neuer Liebling) sieht hinüber zu einer Dose mit Sprühpflaster und ich verstehe. Nun jage ich Fliegen wild sprühend hinterher. Die Idee ist super, nur die Umsetzung schwierig, da ich ja auf keinen Fall jemanden unsteril machen darf in dieser Enge. Leider sind auch die Viecher hartnäckiger, als gedacht.

Hups, da habe ich doch glatt noch den Chef erwischt, der in meiner Schussbahn sitzt. Immerhin mit Erfolg und ohne seine Sterilität zu gefährden: Eine Fliege gibt auf, die zweite folgt und liegt mit verklebten Flügeln auf dem Boden. Inzwischen fängt die Anästhesie auch an mit dem Sprühen, ich wechsele ebenfalls hinters Tuch und wir erlegen unter lautstarken Anfeuerungsrufen des Personals die restlichen zwei Plagegeister. Man kann übrigens nicht einfach um den Tisch herum gehen, sondern muss den Raum verlassen und am Kopfende durch eine Tür gehen, um wieder zum Patienten zu kommen. (Nur damit ihr eine Vorstellung von den Platzverhältnissen dort habt).
Die Fruchtfliege wird noch elegant vom Anästhesisten zwischen Daumen und Zeigefinger zerquetscht und die Jagt damit als beendet erklärt.

Die Patientin hat übrigens nur eine lokale Anästhesie und freut sich so sehr über die Abwechslung, dass sie vor Lachen bebt und erst einmal wieder beruhigt werden muss, bevor es weiter gehen kann.

Fußball haben wir dann doch noch rechtzeitig ansehen können, mit dem Gyn-OP und diversen Mitarbeitern der Zentrale, die wie durch ein Wunder (ja, ist klar) ebenfalls nicht mehr am Tisch stehen mussten.

Nur die arme Putzfrau, die hatte keinen Spaß, denn Sprühpflaster klebt wie nichts Gutes.




Dienstag, 15. Juni 2010

OP-Sklavin

...so fühle ich mich zumindest momentan. Ich bin seit 2 Tagen für einen 4 wöchtigen Einsatz im OP.


Eigentlich im Gynäkologischen, aber weil der Handchirurgische Saal sich auf der selben Etage befindet, wird dort regelmäßig das hiesige Personal hingesandt, um auszuhelfen. So kam auch ich in das Vergnügen dort direkt als Springer eingesetzt zu werden, als der einzige OP-Pfleger bereits steril eingewaschen war und die für diese Aufgabe ursprünglich vorgesehene Schwester mal eben in den entfernten Sectiosaal ausgeliehen wurde.

Wohlgemerkt, es handelte sich um meinen zweiten Tag in einem völlig fremden OP, welcher übrigens vor mehreren Jahren lediglich als Übergangslösung geplant war und dementsprechend eingerichtet ist- auf kleinstem Raum vollkommen chaotisch und unübersichtlich.
Dafür aber mit super Personal, denn mein Lieblingsanästhesist (mir bekannt von diversen PDAs) sah mir direkt über dem Tuch entgegen und spielte ein wenig Kasperle-Theater mit einer Larynx-Maske, verbreitete heitere Stimmung und nahm mir den Großteil meines Unwohlseins der neuen Situation gegenüber.

Man eröffnete mir, ich solle für eine Athroskopie, eine Spiegelung des Handgelenkes mittels einer kleinen endoskopischen Kamera, die Aufgabe des Springers annehmen: Alles anreichen, was fehlt- kleinere Botengänge ausführen, ans Telefon gehen Dokumentation, etc.

Der vor Ironie und Sarkasmus sprudelnde, italienische Azt Dr. Giovanni Zucchini versicherte mir aber glaubhaft, wir würden das Kindchen schon schaukeln.Ich solle mir keine Gedanken darüber machen, dass das mein erstes Mal sei, schließlich wüsste ich ja nicht nur wie die Kinder zur Welt kommen, sondern auch wie sie entstehen und da habe ich es ja auch überstanden. Jaja, gleich einen typischen Spruch kassiert... Ich konterte zum Glück ordentlich und ich wurde entspannter.
Er winkte mich dann gleich mit einer heroischen Bewegung an den Tisch und zeigte mir, wie man den Arm blutleer streicht, damit man eine bessere Sicht auf das Gelenk hat, wenn er mit der Kamera eingegangen ist. Wirklich spannend, denn die Hand sieht aus, als sei sie ein Präparat, oder aus Wachs.
Die OP begann und ich konnte sogar die Zeiten in den PC eingeben, pflegte den Nachweis über alle bei der OP genutzten Materialien (zum Glück hatte man mir dies bereits gestern im Gyn-OP gezeigt) und ich machte auch sonst bemerkenswert wenige Fehler, abgesehen von einem kleinen Irrtum, als ich den Chef der Medizinischen Klinik mit dem Anästhesiepfleger verwechselte, der seine Nase in den Saal streckte. Das passiert mir hoffentlich nicht nochmal!

Ich lief hauptsächlich Slalom um die sterilen Bereiche und suchte und suchte… Ständig musste ich nachfragen, was ich holen solle, da ich Dr. Zucchini oft nur sehr schwer verstand und das Nachfüllmaterial leider im Nebenraum gelagert wird, sodass mir außer dem Anästhesisten niemand helfen konnte. Ich stand zum Beispiel vor dem Riesenschrank voller Nahtmaterial und vergaß schon aus der Tür heraus welchen Faden ich holen sollte(noch kompliziertere Namen kann man sich wirklich nicht ausdenken)- also wieder rein und nachfragen- bis ich immerhin die richtige Firma mit der richtigen Stärke gefunden hatte, um dann festszustellen, dass es auch noch verschiedene Nadelstärken gibt. Ich sehne jetzt schon den Tag herbei, an dem ich einigermaßen Überblick haben werde (Hoffentlich nicht erst in der letzten Woche) und nicht jeden Schrank 3 mal öffnen muss.
Als Belohnung durfte ich am Ende der chirurgischen Maßnahmen sogar unter Anleitung den Arm eingipsen, weil aus der bloßen Arthroskopie dann doch ein Schnitt mit Schraubeneinlage wurde.

Dr. Zucchini verabschiedete sich am Ende des Tages übrigens mit Handschlag und fragte, ob ich seiner 16 jährigen Tochter einige Fragen beantworten könne, sie wollte auch Hebamme werden. Er würde auch Kuchen und Kaffee mitbringen.

Hachja, Handop ist echt nicht die schlechteste Wahl!