Mittwoch, 22. September 2010

Kreißsaalgeschichten

Ich bin endlich, endlich, endlich mal wieder im Kreißsaal eingesetzt. Das ist wirklich Sensation, denn das letzte Mal richtig dort war ich vor einem Jahr, knapp nach Beginn der Ausbildung, unsicher und eingeschüchtert von den dortigen Abläufen und meiner Unwissenheit. Die Unwissenheit ist noch nicht wesentlich besser geworden, aber einige kleine Fortschritte sind zu erkennen. Wurde mir im ersten Jahr stellenweise weder das richtige Anlegen eines CTGs (Herzton- und Wehenschreiber) zugetraut, so lässt man mir bereits bei der Ambulanz freie Hand. Begrüßung, Anamnese oder sogar das Ausfüllen der Akte, Urin stixen, Fundusstand und Leopold, sowie das obligatorische CTG anlegen werden mir überlassen- natürlich immer in Absprache mit der Diensthabenden.

Auch wenn es sicherlich noch die komplette Zeit meines Einsatzes dauern wird, der da übrigens durch eine Woche Osnabrück zum Studium auf knappe 3 Wochen verkürzt wurde, bis ich einen ungefähren Überblick habe... Und bis dahin muss ich möglichst viele Eindrücke und Routineabläufe mitnehmen, denn:
Ich bin tatsächlich vor dem 3. Lehrjahr nicht mehr im Kreißsaal- dafür in diesem letzten Jahr dann aber soviel, dass ich gut eingearbeitet bin.

Jetzt gerade schlage ich mich mit meinen ersten Dammschützen durch. Dammschütze beinhalten das Bremsen des Köpfchens beim Durchtritt und das "Halten" des Dammes unterhalt des Vaginal-Ein(bzw Aus-)ganges, über dessen Sinn sich die Experten uneinig sind. Man versucht jedenfalls eventuellen Rissen entgegen zu wirken, indem man ein Tuch dagegen hält.
Theoretisch haben wir das im Unterricht auch schon besprochen, allerdings immer von der Rückenlage der Frau ausgehend- allgemein ist jedoch bekannt, dass aufrechte Geburtspositionen sehr viel natürlicher sind und auch viele Gebärende den Drang verspüren sich zu bewegen, statt liegend an das Bett gefesselt zu sein. Und weil wir ein ach so alternatives Krankenhaus sind, kann es schon einmal passieren, dass Frauen auf dem Hocker, im Stehen oder in einem Vierfüßlerstand (kniend und auf dem abgestützten Händen) gebären.
So auch bei mir:

Ich betreute den ganzen Morgen eine drittgebärende Chinesin, die toll mit den Wehen zurecht kam. Ich massierte sie in der Badewanne, ging mit ihr spazieren und beantwortete ihre vielseitig interessierten Fragen ( "Wenn der Kopf von dem Kind so stark drückt an welcher Stelle vom Becken ist es dann?") Auch ihr Mann kam einige Stunden später dazu und gesellte sich zur lustigen Fragestunde, nur, dass er sich eher technisch in unsere Geräten verliebte. "Dieses CTG ist ja sehr neu: Wie funktioniert die Übertragung auf das Papier?"
Nebenbei ging der Muttermund immer weiter auf und weil es bei Mehrgebärenden schon mal schneller gehen kann, als man so denkt, machte ich auch noch Überstunden, um sie zuende betreuen zu können.
Sogar noch in den Presswehen behielt sie ihren Humor, machte Scherze und wünschte sich auf dem Hocker zu gebären.
Inzwischen war der Schichtwechsel und eine andere Hebamme kam mit dazu. Ich raunte ihr zu, dass dies mein erster Dammschutz sei und in völliger Ruhe erklärte sie mir alles, während ich doch merkte, wie meine Hände zu zittern begannen. Auch die hockende Postition auf dem Boden vor dem Hocker machte sich in meinen Oberschenkelmuskeln bemerkbar.
Die letzten Presswehen folgten sehr schnell übereinander und als sich der Kopf  in meine Hände schob, war klar dass wir es in allerletzter Sekunde auf den Hocker geschafft hatten- . Ein tolles Gefühl diesen geborenen Kopf unter meinen Handschuhen zu spüren und zu sehen, wie das Kind bereits seine Augen öffnete.

Meine Lieblingsdoktorin Jammertal kam dazu, hielt sich ganz abseits und gerade als die Hebamme ansetzen wollte mir zu erklären, wie es nun weiter geht, hielt ich plötzlich das komplette Kind in Händen. Es kam gerade so heraus geschossen- entgegen aller Gesetze der langsamen Drehung zur Schultergeburt.
Die Plazenta kam  regelrecht wenige Minuten später, Damm und Scheide stellten sich als intakt heraus, also ohne jegliche Verletzungen.
Außerdem gab keinerlei medizinische Intervention, nicht einmal ein Venenzugang, oder  sonstige "Manipulation" an Frau oder Geburtsvorgang!

So kann es weiter gehen, zum Beispiel in meinem Spätdienst heute...

3 Kommentare:

  1. Das klingt ja nach einer schönen Geburt. So hätte ich mir das auch gewünscht, obwohl ich nicht weiss, ob ich unter den Wehen zu Scherzen aufglegt gewesen wäre... ich denke eher nicht.

    AntwortenLöschen
  2. Ja, es war wirklich eine wunderschöne Geburt, selbstbestimmt und ohne medizinisches Eingreifen. Ich würde mir wünschen, so etwas noch häufiger begleiten zu dürfen!
    Den wenigsten Frauen ist nach Scherzen zu Mute, aber diese war so klar in den Wehenpausen und wusste ganz genau was sie will.
    Hach, schön wars...

    AntwortenLöschen
  3. Hallo, glückwunsch zum 1.DS! Hört sich nach einer echt tollen geburt an. Wünsch dir viele viele weitere!

    AntwortenLöschen